Perspektivenwechsel und Loslassen- mein erstes Jahr als „Kindergartenmama“

Vor ein paar Tagen schickte mir mein Freund ein Foto. Sein Sohn – mein Patenkind und gleichzeitig bester Freund meiner Tochter- und Ella, die vergnügt im Sandkasten des Kindergartens spielen. Darunter steht „Heute vor einem Jahr“. Es war ihr Kindergarten-Schnuppertag.
Ich konnte es kaum glauben. Wie klein sie auf dem Foto noch aussehen. Ich habe das Jahr direkt Revue passieren lassen.
Die ersten Tage, an denen ich schwanger im Beschäftigungsverbot war und ich Ella somit durch die Eingewöhnungszeit begleiten konnte.
Anfangs fiel es mir wirklich schwer, das kleine Mädchen mit dem viel zu großen Rucksack dort allein zu lassen. Obwohl ich den Kindergarten und das Personal kenne und großes Vertrauen in sie alle habe- und auch Ella gern dort geblieben ist. Das war nicht der Punkt.
Es war das Mamaherz, das ein kleines bisschen blutete.
Es machte mir ständig ein schlechtes Gewissen. Fakten wie „Jetzt werdet ihr weniger Zeit zusammen haben“, oder auch eigentlich schöne Gedanken wie „Jetzt ist sie ein richtiges Kindergartenkind“  und „Nun wird sie von Tag zu Tag selbstständiger“ gingen mir durch den Kopf- und ich hätte bei jedem dieser Gedanken heulen können. Natürlich habe ich dies auch getan.
Weil schwanger und gleichzeitig „großes“ Kind loslassen, keine optimalen Bedinungen sind, um locker zu bleiben.
Dies waren die ersten Erfahrungen, bei denen ich gedanklich auch bei all den Eltern war, die ich in den letzten Jahren als Erzieherin im Kindergarten begleitet habe und mir plötzlich klar wurde; jetzt bin ich eine von ihnen.
Ich fühlte mich plötzlich total verletzbar. Ganz merkwürdig.
Dann waren da bei Ella die Streitigkeiten mit dem Freund, erste Abgrenzungen. Alles normal. Alles gut.
Sie kommt nach Hause und bringt ein komplett ausgeschnittenes Häschen mit. Sie hat auf dem Herbstfest ihren ersten Chorauftritt (bei dem sie ihre Aufgabe wohl darin sah, in dem übergroßen Chor-Shirt und ihren hinter dem Rücken verschränkten Armen, nicht mitsingend, einfach nur unglaublich niedlich auszusehen).
Ich denke an total verschmutzte Klamotten, über die ich mich jedes Mal freue -weil schmutzige Kinder bekannterweise glückliche Kinder sind- und an lustige Anekdoten, die mir zwei Freundinnen, die in dem Jahr noch ihre Erzieherinnen waren, netterweise immer mal wieder zukommen ließen (an dieser Stelle nochmal ein DANKE an euch, auch für alles andere, ihr wisst schon).

Ja, ich bin glücklich darüber, dass sie nun ein richtiges Kindergartenkind ist, aber ich habe jetzt auch verstanden, was manche Kolleginnen all die Jahre meinten, wenn sie sagten: „Das verstehst du erst, wenn du selbst Kinder hast.“ Ich finde, dass dieser Satz nicht sein muss. Schließlich gibt es auch Kollegen und Kolleginnen, die kinderlos bleiben. Aus verschiedenen Gründen.
Und auch diese sind empathisch und kompetent.
Und trotzdem, du siehst Dinge mit anderen Augen, wenn du sie selbst gefühlt hast.
Hey, da geht mein Kind -und irgendwie auch die kleinere Version von mir- stundenlang in ein Haus, das ich nach ein paar Minuten zu verlassen habe, spielt dort, wobei ich sie nicht beobachten kann, wird von anderen Erwachsenen erzogen und wahrgenommen, was ich nicht beeinflussen kann und erlebt dort ganz viele tolle Sachen, die ich nicht miterleben kann.
Da musst du als gefühlt frischgebackene Mutter erstmal lernen mit umzugehen.
Und dass ich über die Eltern, denen es genauso ging, in den letzten Jahren so manches Mal die Augen verdreht habe, weil ich mich in diesen Momenten nicht immer in sie einfühlen konnte, tut mir heute Leid. Aber so ist das halt, mit den Erfahrungen. Es gibt gute, es gibt schlechte. Manche gibt es gar nicht. Die spielen sich nur in deinem Kopf ab. Und so wird es auch bei unseren Kindern sein. Daran werden sie wachsen.

Jetzt legt der Kindergarten eine Sommerpause ein. Heißt ganz viel Familienzeit. Darauf freue ich mich.
Und dann kommt das nächte Jahr – und vielleicht wieder ein Foto.
Eins steht fest:  „Heute vor einem Jahr“ geht mir definitiv zu schnell.

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